Antifaschistische Arbeit und die Auseinandersetzung mit der deutschen Aufarbeitung unserer nationalsozialistischen Geschichte, gehören seit der Gründung unseres Vereins zu den zentralen Arbeitsfeldern.

Daher haben wir uns sehr über die Bereitschaft vom ersten Vorsitzenden des Vereins „Wetzlar erinnert e.V.“, Ernst Richter, gefreut, uns in einem Workshop über das Thema Zwangsarbeit in Wetzlar in den Jahren 1939 bis 1945 zu informieren.

Dabei sei es ein zentrales Anliegen des Vereins „Wetzlar erinnert“ bei der Gründung gewesen, die Ausstellung »Verschleppt, entrechtet, ausgebeutet – Zwangsarbeit in Wetzlar 1939-1945«, die von Aktivisten der IG-Metall in den 80er Jahren entwickelt wurde, neu zu gestalten.

Ernst Richter vom Verein „Wetzlar erinnert“ e.V. bei seinem Vortrag in den Räumen der WALI.

Richter machte uns mit sehr anschaulichen Beispielen klar, wie barbarisch die Strukturen der Zwangsarbeit für die betroffenen Menschen waren und was es für die von den Nazis verschleppten Menschen konkret bedeutete. So gab es Ende 1944 im Altkreis Wetzlar bei 35 Firmen 55 Lager für mindestens 6.500 »zivile ausländische Arbeitskräfte«. Die meisten von ihnen waren vor allem osteuropäische junge Frauen und Männer, aus den besetzten Ländern.

Auch sehr erschreckend waren die Zahlen und der hohe Anteil von Zwangsarbeiterinnen und –arbeitern während der nationalsozialistischen Herrschaft in Wetzlar: 26 Zwangsarbeiterlager befanden sich innerhalb des Stadtgebietes mit insgesamt 4.750 Menschen aus insgesamt 21 Nationen.

Hier nicht mitgezählt seien die Menschen gewesen, die u.a. als landwirtschaftliche Arbeitskräfte, in Haushalten, Hotels sowie dem Handwerk arbeiten mussten. Auch nicht die Soldaten in den Kriegsgefangenen-Arbeitskommandos.

Die Gesamtzahl der Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen hätte wegen hoher Fluktuationen und mangelnder Vollständigkeit der vorhandenen Quellen schätzungsweise etwa 20-30 Prozent mehr betragen. D.h. ca. 50 Prozent der Erwerbstätigen und etwa 25 Prozent der Wohnbevölkerung der Stadt Wetzlar waren während des Krieges ausländische Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen, so Ernst Richter. Die vielfältigen Diskriminierungen durch die rassistische, faschistische deutsche Gesellschaft gehörten unübersehbar zum Alltag aller Wetzlarer Bürger*innen.

Zum Schluss zeigte Richter noch einen Film über den Besuch von Tomasz Kiryllow, der aus seiner Heimat nach Wetzlar zur Zwangsarbeit verschleppt wurde. Er wurde verhaftet und in das SS-Arbeitserziehungslager Heddernheim verbracht. Dort schwor er sich, alles aufzuschreiben, wenn er sein Martyrium überleben sollte. Er überlebte und fasste seine Erinnerungen in dem Buch „Und ihr werdet doch verlieren!“ zusammen.

Der Filmbericht über den Wetzlar Besuch Kiryllows war ein eindrückliches zeitgeschichtliches Porträt über einen Mann, der sich nicht hat brechen lassen.

Wer sich über die regionale Geschichte dieser Zeit ausführlicher informieren will, findet viele Informationen auf der Website des Vereins „Wetzlar erinnert“ e.V.